Ohne Seiteneinsteiger ist der Grundschulunterricht in einigen Bundesländern kaum noch aufrecht zu erhalten. Eine GEW-Umfrage zeigt: Es fehlen rund 2000 GrundschullehrerInnen.
Der Lehrermangel an deutschen Grundschulen ist gravierender als bislang angenommen. Das ergibt eine Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) für das ZDF-Magazin Frontal21. Danach fehlen deutschlandweit rund 2000 Grundschullehrer. Außerdem mussten mehrere tausend Quer- und Seiteneinsteiger eingestellt werden, um den Unterricht gewährleisten zu können. „Das ist natürlich ein Drama, weil es zu Lasten der Schülerinnen und Schüler geht und zu Lasten der vorhandenen Lehrkräfte“, kommentierte Marlis Tepe, GEW-Vorsitzende die Ergebnisse.
Ohne Seiteneinsteiger Unterricht kaum möglich
Die Bildungsgewerkschaft hat im Januar in allen GEW-Landesverbänden Zahlen zu unbesetzten Stellen und Nachbesetzungen abgefragt. Ohne Seiteneinsteiger sei der Grundschulunterricht in einigen Bundesländern kaum noch aufrecht zu erhalten, kritisiert Heinz-Peter Meidinger vom Deutschen Lehrerverband. „Das ist natürlich eine skandalöse Entwicklung.“ In Berlin und Sachsen seien 50 Prozent, manchmal über 80 Prozent der Neueinstellungen im Grundschullehramt keine Lehrer sondern Quereinsteiger.
Weniger Studienplätze für Grundschullehrer
Ursachen für die Misere an den Grundschulen sind nach Auffassung von Experten schlechte Planungen der Kultusmister der Länder. Trotz steigender Geburtenraten seien zu wenig Lehrer ausgebildet und eingestellt worden. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge an den Hochschulen habe das Problem verschärft, so Jörg Ramseger, Professor für Grundschulpädagogik an der Freien Universität Berlin: „Es hat die Kultusminister schon damals schlichtweg nicht interessiert.“ Tatsächlich wurden nach Angaben des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung in Deutschland im Jahr 2016 mehr als 100.000 Kinder mehr geboren als noch 2005. Dennoch wurde die Zahl der Studienplätze für Grundschullehrer reduziert. An der Freien Universität Berlin beispielsweise seien die Immatrikulationen von 200 pro Jahr auf zwischenzeitlich 60 bis 70 pro Jahr gesunken. „Bei 340 Grundschulen in der Stadt kann man sich ausrechnen, was passiert“, sagte Ramseger.
Ganztagserziehung nicht realisierbar
Angesichts dieser Zahlen hält Ramseger den im Sondierungspapier versprochenen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsschulplatz für unrealistisch: „Das ist bestenfalls ein Selbstbetrug, allemal ein Wählerbetrug.“ Es sei völlig undenkbar, dass das Recht auf Ganztagserziehung in der Grundschule zu realisieren sei. „Das Personal wird nicht zur Verfügung stehen. Ich würde so etwas als Politiker nicht versprechen.“ Im Sondierungspapier haben SPD und CDU 3,5 Milliarden Euro für bessere Bildung eingeplant. Das ist aus Sicht der Bildungsgewerkschaft GEW angesichts des Lehrermangels und des Sanierungsstaus an Schulen zu niedrig. „Um den Durchschnitt der OECD-Länder zu erreichen, bräuchten wir so etwas wie 40 Milliarden“, forderte GEW-Chefin Tepe im ZDF.