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Mobbing am Arbeitsplatz: Schnelle Hilfe nötig

Depression
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Mobbing am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt. Betroffene sollten schnell Hilfe suchen, auch bei Cybermobbing. Ein Ratgeber.

Mobbing am Arbeitsplatz: fast jeder dritte Deutsche wurde schon gemobbt

Kinder können sehr grausam sein. Doch auch im Erwachsenenalter, wenn es von der Schule in die Arbeitswelt geht, hört die Erbarmungslosigkeit nicht auf. Für die systematischen Gemeinheiten am Arbeitsplatz brauchen die Täter keinen bestimmten Grund und Mobber gibt es überall. Manche sind nur neidisch, andere haben selbst psychische oder soziale Probleme oder fühlen sich als Mitläufer stark.

Leider ist das Phänomen Mobbing nicht selten. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2021 von Statista in Kollaboration mit YouGov wurden 29 Prozent der Deutschen laut eigenem Empfinden schon mindestens einmal im Leben am Arbeitsplatz gemobbt. 17 Prozent gaben an, bereits Zeugen gewesen zu sein, wie Kollegen oder Vorgesetzte Opfer von Mobbing wurden, und vier Prozent sagten bei der anonymen Umfrage, selbst als Täter andere gemobbt zu haben. Das ergäbe – rein rechnerisch – gut sieben Mobbing-Opfer pro Täter. Mobbing am Arbeitsplatz geschieht zu 81 Prozent in direkter sozialer Interaktion. Cybermobbing ist am Arbeitsplatz noch weniger verbreitet als beispielsweise unter Jugendlichen, präzisiert Statista in seiner Grafik.

Besonders häufig sind systematische Schikanen an Arbeitsplätzen mit hohem Leistungsdruck und starren Hierarchien. Bei der Süddeutschen Zeitung hat ein 21-jähriger freiwilliger Bundeswehrsoldat anonymisiert ausgepackt. Anfangs dachte er noch, als Neuer automatisch ganz unten in der Hackordnung zu stehen. Doch nächtliche Schikanen, Beleidigungen, Zuteilung der unangenehmsten Aufgaben und sogar Prügel wurden für ihn immer mehr zum Alltag. Die Übergriffe gingen von einem bestimmten Kameraden aus – vor den Augen der Offiziere und trotz offizieller Beschwerde. Der Betroffene, dem von der Süddeutschen zur Anonymisierung der Name „Maximilian“ gegeben wurde, war nur allzu froh, als seine zwei Jahre beim freiwilligen Wehrdienst vorbei waren. Damit hatte er Glück im Unglück, denn ein Ende des Leids war für ihn zumindest abzusehen. Genau diese Tatsache sieht der Mobbingberater Dr. Axel Esser auch als möglichen Grund, warum niemand einschritt.

Wenn auch nicht alle von ihnen sogar körperliche Übergriffe erleiden müssen, tragen Opfer von Mobbing doch Schäden davon. Dabei riskieren besonders Minderheiten gemobbt zu werden und Frauen geraten öfter als Männer ins Visier der Mobber. Betroffene können noch Jahre nach der Mobbing-Situation an dem Erlebnis zu knabbern haben und sind anfälliger für psychosomatische Leiden und Depressionen. Sie haben mehr Fehltage und Krankmeldungen, denken über Jobwechsel nach oder werden sogar dauerhaft arbeitsunfähig. Der Schaden betrifft aber auch die Arbeitgeber. In Deutschland werden jedes Jahr über eine Million Arbeitnehmer gemobbt, was das jeweilige Unternehmen pro Mobbing-Opfer jährlich zwischen 15.000 bis 50.000 EUR im Jahr kostet.

Das ist Mobbing

Der Ausdruck Mobbing kommt vom englischen Wort mob, was so viel bedeutet wie aufgebrachte, gewaltbereite Menge. Unter Mobbing versteht man kontinuierliche Schikane, Häme und Benachteiligung mit Methode. Der Mode-Begriff entstand in den 80er-Jahren, auch wenn die Dynamik schon lange vorher existierte.

Mobbing hat evolutionäre Wurzeln. Unsere Vorfahren lebten in kleinen Gruppen, meistens herrschten Revierkämpfe und Konkurrenz um Ressourcen wie Nahrung, Fortpflanzung Unterschlupf oder Wasser mit rivalisierenden Stämmen. Den Kampf gewannen in der Regel die stärkeren und größeren Gruppen. Daher ist ein Instinkt geblieben, scheinbar schwächere und Minderheiten auszugrenzen und sich im Mob gegen diese zu verbünden, um alle Ressourcen in der dominierenden Gruppe für sich zu behalten. Das Verhalten zeigt sich noch heute in einer gesellschaftlich akzeptierten Form bei Fußballfans. Mobbing zieht sich durch alle sozialen Schichten und ist unabhängig vom Bildungshintergrund.

Anzeichen für Mobbing

Überall, wo Menschen zusammenarbeiten, entstehen über kurz oder lang Konflikte. Da wird diskutiert, gestritten und es kommt auch vor, dass sich manch einer im Ton vergreift, wutentbrannt aus dem Zimmer rauscht und die Türen dabei knallt oder sogar andere beleidigt. Mobbing ist aber etwas anderes.

Oft ist Mobbing nicht auf den ersten Blick zu erkennen, die Tyrannei der Mitmenschen kann mannigfaltig sein. Mobbing ist ein Prozess und beinhaltet immer gezielte und wiederholte Angriffe auf eine bestimmte Person oder auf eine Gruppe. Absicht ist es, Leid zu verursachen und die gemobbte Person aus der betrieblichen Gemeinschaft auszuschließen. Negative Kommunikation, Schikanen und Psychoterror sollen Betroffene benachteiligen, deren Leistung herabsetzen, das Selbstvertrauen untergraben und das Ansehen schädigen.

  • Systematische Attacken über einen längeren Zeitraum

Mobbing hat System und geschieht wiederholt. Von Mobbing im engeren Sinn spricht man in der Regel, wenn Angriffe mindestens einmal pro Woche über einen Zeitraum von über sechs Monaten vorkommen. Sind die Attacken jedoch massiv, kann schon früher Mobbing als solches erkannt werden.

  • Keine Chance auf Konfliktlösung

Die Kommunikation ist konfliktbelastet und feindselig oder sie wird direkt verweigert. Negative Spannungen lassen sich durch kein Gespräch auflösen und verschwinden auch nicht mit der Zeit.

  • Bewusste Sabotage

Attacken sind persönlich und unfair. Mobbing auf der Arbeitsebene findet durch das grundlegende Anzweifeln der Fähigkeiten der gemobbten Person statt. Unsachliche Kritik an der Arbeit und das ständige Übertragen von unsinnigen, unnötigen oder besonders unbeliebten Aufgaben, sowie die Manipulation der Resultate der Arbeit, gehören zu den perfiden Mobbing-Strategien am Arbeitsplatz. Wichtige Informationen werden verschwiegen, die Konfliktparteien stehen sich nicht mehr auf Augenhöhe gegenüber, das Mobbing-Opfer wird durch die massive Manipulation zunehmend machtloser.

Mobbing auf sozialer Ebene kann mit dem Mobbing auf professioneller Ebene ineinandergreifen. So wird die gemobbte Person wie Luft behandelt und belogen, belästigt, diskriminiert oder bei Kollegen, Arbeitgebern, Familie oder Freunden verleumdet. Auch absichtliche Kränkungen, Anspielungen, auffälliges Meiden des Opfers oder Manipulieren, Verstecken oder Zerstören dessen Eigentums können auftreten.

  • Ausschluss aus der Gemeinschaft

Ziel des Mobbers ist der Ausschluss aus der Gesellschaft, vom Arbeitsplatz, aus der sozialen Gruppe.

Vier Phasen von Mobbing

Tückisch an Mobbing ist, dass sich die Situation meist schleichend entwickelt und somit ungeahnte Auswüchse erreichen kann. Die Beteiligten – sowohl Opfer als auch Zeugen – tendieren dazu, immer mehr Feindseligkeiten hinzunehmen, weil ein gewisser Gewohnheitseffekt auch für die schrecklichsten Arten des Quälens auftritt. Man spricht von vier Phasen von Mobbing:

  1. Am Anfang war der Konflikt

Manchmal reicht ein Funke, um ein Feuer zu entfachen. Scheinbar harmlose Konflikte, kleine Streitereien und Meinungsverschiedenheiten legen den Grundstein für eine Abneigung. Erste Schuldzuweisungen und persönliche Angriffe treten auf.

Manchmal wissen die Gemobbten gar nicht, wo der Auslöser war oder ob es überhaupt einen gab. Sie zeigen erste Stress-Symptome und versuchen, den Konflikt beizulegen. Je nach individueller Strategie wird versucht, Versöhnungsangebote zu machen, den Angreifer zu ignorieren, sich aktiv zu wehren oder eine objektive Konfliktbearbeitung zu suchen.

  1. Psychoterror und Schikane

Der anfängliche Grund des Konflikts tritt in den Hintergrund, es kommt zu wiederholten Schikanen und Ausgrenzungen, die über Monate andauern. Die betroffene Person wird zur Zielscheibe, zum Sündenbock und wird isoliert und ausgegrenzt.

Eine Abwertung des Selbstwertgefühls der gemobbten Person ist die Folge. Oft sind Mobbing-Opfer verwirrt, haben Selbstzweifel und beginnen, psychosomatische Störungen zu entwickeln.

  1. Willkommen in der Opferrolle

Gemeinheiten und Übergriffe erreichen ein Ausmaß, bei dem auch Rechtsbrüche vorkommen können.

Nach den massiven Demütigungen ist die gemobbte Person immer mehr verunsichert und verängstigt, ihre Leistung sinkt, ihr Risiko, Fehler am Arbeitsplatz zu machen, steigt. 98 Prozent der gemobbten Personen erleben eine merklich gesunkene Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit am Arbeitsplatz. Gleichzeitig wird die Situation oft von der Unternehmensführung verkannt und die Opfer sehen sich mit Sanktionen von Seiten des Arbeitgebers konfrontiert: arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Abmahnung, Versetzung oder Kündigung drohen. Die Leiden der Gemobbten werden nicht nur vom Unternehmen, sondern auch vom behandelnden Arzt gerne übersehen. Eine solche ungerechte Behandlung verschlimmert die Lage. Innere Kündigung, Rückzug oder Auflehnung, Burnout und verstärkte psychosomatische Störungen sind die Folgen. Diese Situation kann sich über zwei Jahre hinziehen.

  1. Der Mobber gewinnt

Die Mobbingfalle schnappt zu, das Opfer gibt auf. Oft kündigen Betroffene oder stimmen einem Auflösungsvertrag zu. Einige Mobbing-Opfer tragen bleibende Schäden davon, leiden an psychosomatischen Krankheiten oder müssen – manchmal für immer – aus der Arbeitswelt ausscheiden. Der Mobber hat gewonnen.

Mobbing von unterschiedlichen Seiten

Beim typischen Mobbing finden die Attacken unter hierarchisch Gleichgestellten, also unter Kollegen, statt. Beim sogenannten Bossing ist der Vorgesetzte der Täter. Stellen sich die Untergebenen jedoch als Mobber gegen den Chef, dann spricht man von Staffing.

Erste Anlaufstelle: Mobbing ist Chefasche

In Deutschland gibt es, im Gegensatz zu anderen Ländern, kein Anti-Mobbing-Gesetz. Es herrscht jedoch die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Dabei handelt es sich um eine gesetzlich geregelte Rechtspflicht (§ 241 BGB) mit dem Ziel, ein angemessenes Maß an Schutz und Rücksichtnahme durchzusetzen. Dieses Gesetz zwingt den Arbeitgeber, etwas gegen Mobbing im Unternehmen zu tun, andernfalls kann er haftbar gemacht werden. Der Arbeitgeber muss deshalb immer über Mobbing im Unternehmen informiert werden.

Cybermobbing bei der Arbeit

Vor allem unter Jugendlichen ist Cybermobbing häufiger. Die moderne Art der Schikane hat aber auch in die Arbeitswelt Einzug gehalten. Online werden Lügen verbreitet, Gerüchte in die Welt gesetzt oder peinliche Fotos des Opfers ins Netz gestellt. Die weitgehende Anonymität im Internet verstehen Mobber als Freifahrtschein auch für sexuelle Belästigung, Bedrohung und Hasskommentare. Problematisch sind das große Publikum und die Schwierigkeit, unerwünschte Inhalte aus der Welt zu schaffen, wenn sie erst einmal im Netz veröffentlicht wurden.

Hilfe bei Cybermobbing

Ebenso wie Mobbing ist Cybermobbing in Deutschland kein Straftatbestand. Zur Anzeige können aber konkrete Vorfälle wie üble Nachrede, Verleumdung oder Nötigung im Internet gebracht werden. Um den Mobbern keine Angriffsfläche zu bieten, kann es sinnvoll sein, die Aktivitäten in den Sozialen Medien einzuschränken oder ganz einzustellen. Meta, TikTok und andere Anbieter bieten auch sinnvolle Tools, um die geposteten Inhalte nur für bestimmte Personen zugänglich zu machen.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2014 haben Privatpersonen ein sogenanntes „Recht auf Löschung“. Sie können bei Google beantragen, dass mit ihrem Namen verbundene Suchergebnisse und Snippets (die Vorschauen) nicht mehr aufscheinen. Dafür stellt Google ein eigenes Formular zur Verfügung.

Die Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz

Michael Schulte-Markwort leitet die Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. Er erklärt, dass es in jeder Gruppe, sogenannte Alphas (Anführer), Betas (Mitläufer) und Omegas (Außenseiter) gibt. Er sagt: „Jeder kann plötzlich in eine Gruppe geraten, von der er nicht freundlich aufgenommen wird. Am Arbeitsplatz kann das sogar extrem schnell passieren. Denn dort kommt es ja oft vor, dass sich Teams neu bilden oder dass jemand Neues zu einer bereits bestehenden Gruppierung hinzustößt.“

Schulte-Markwort erklärt weiter in seinem Interview mit dem Spiegel, dass Mobbing jeden treffen kann. Doch Menschen, die sich selbst in eine Außenseiterrolle begeben, haben ein höheres Risiko, ins Visier der Mobber zu geraten.

Die Folgen von Mobbing können für die Opfer verheerend sein. Die Schikanen werden als schwere, einschneidende Krisen erlebt, die traumatisch sein und sogar mit einem Unfall oder Überfall verglichen werden können. Herzrasen, Schlafstörungen, Nervosität und Konzentrationsschwäche sind typische Symptome, die sich auf psychosomatische Leiden wie Kopf- und Magenschmerzen und die Verschlimmerung chronischer Krankheiten ausweiten können. Es kann zu Störungen sämtlicher Organe kommen. Etwa 40 Prozent der Mobbing-Opfer entwickeln körperliche Leiden.

Der Verlust des Arbeitsplatzes, Einweisung in eine Psychiatrie oder sogar Arbeitsunfähigkeit können folgen – sieben Prozent der Gemobbten werden erwerbsunfähig oder gehen frühzeitig in Rente. Einige Betroffene sind so stark beeinträchtigt, dass sie eine Depression bekommen, eine Sucht entwickeln oder suizidgefährdet werden. Mobbing kann töten.

Mobbing: das sagt das Gesetz

Wie schon erwähnt gibt es in Deutschland kein spezielles Gesetz gegen Mobbing. Die Schikanen, die zu Mobbing gehören, werden jedoch durchaus sanktioniert. So ist im Grundgesetz das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit verankert und der Arbeitgeber ist verpflichtet, dieses zu schützen.

Nach dem Betriebsverfassungsgesetz §104 BetrVG kann der Betriebsrat bei Mobbing eingreifen und ist sogar verpflichtet, selbst ohne direkte Beschwerde einzugreifen.

Auf das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) können sich Minderheiten berufen, wenn sie wegen ihrer ethnischen Herkunft, Religion, Weltanschauung, des Geschlechts, des Alters, der sexuellen Identität oder Behinderungen gemobbt werden.

Hilfe bei Mobbing am Arbeitsplatz

Es ist sehr wichtig so schnell wie möglich zu handeln und nicht darauf zu warten, bis die Situation eskaliert. Oft sind sich Mobbing-Opfer gar nicht des vollen Ausmaßes der Attacken bewusst. Deshalb ist es auch so wichtig, das Geschehene auszusprechen und schriftlich festzuhalten.

Das können Betroffene tun

  • Mobbing-Tagebuch führen

Schriftlich wird jeder einzelne Vorfall mit Ort, Zeit und anwesenden Zeugen aufgeführt. Das hilft, selbst einen klaren Überblick zu erlangen, eine Lösung zu erarbeiten, aber auch als juristisches Beweismittel.

  • Verstärkung suchen

Unter Kollegen eine Vertrauensperson zu finden, hilft dabei, nicht mehr auf einsamem Posten zu stehen.

  • Arbeitgeber informieren

Auch wenn leider nicht immer das gewünschte Feedback kommt, sollte zuerst der Arbeitgeber informiert werden, damit er seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann.

  • Betriebs- oder Personalrat informieren

Der Betriebsrat ist dazu verpflichtet einzugreifen und hat auch die Macht, einen Mobber durch Versetzung oder andere Maßnahmen zu neutralisieren.

  • Unterstützung bei Gewerkschaften oder einer Mobbingberatungsstelle suchen

Gewerkschaften und andere Stellen sind darauf spezialisiert, auch mit schweren Fällen von Mobbing zu tun zu haben und können konkrete Lösungen bieten.

Das sollten Betroffene nicht tun

  • Schnelles Handeln ist sehr wichtig, wenn der Verdacht besteht, gemobbt zu werden. Warten Sie nicht ab.
  • Spielen Sie die Schikanen weder vor sich selbst noch vor anderen herunter.
  • Isolieren Sie sich nicht, sondern suchen Sie Gesellschaft und sprechen Sie so viel wie möglich mit anderen.
  • Niemand ist selbst schuld, wenn er oder sie gemobbt wird – auch Sie nicht.
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