Der neue Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD strotzt vor ambitionierten Plänen für den öffentlichen Dienst. Die neue Bundesregierung will den öffentlichen Dienst modernisieren und Bürokratie abbauen. Doch die Beschäftigten trauen dem Braten nicht, wie eine Umfrage von Öffentlicher Dienst News unter Beamten und Angestellten zeigt. Sie haben rund 900 konkrete Vorschläge gemacht, wie Bürokratie abgebaut werden kann.
Bürokratieabbau und Digitalisierung, Fachkräfteoffensive und flexiblere Arbeitszeit. Ja, gar ein neues Leitbild für den öffentlichen Dienst soll es unter der neuen Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) geben. Gleichzeitig sollen die Kosten für den Verwaltungsapparat sinken und er soll leichter verständlicher sein. Das alles klingt zu schön, um wahr zu sein, und auch die Leserschaft von Öffentlicher-Dienst-News ist eher skeptisch. Tatsächlich glaubt eine Mehrheit von 55 Prozent sogar, dass auch die neue Koalition aus CDU, CSU und SPD nicht die volle Legislaturperiode zusammenbleibt.
Öffentlicher Dienst und Bundesregierung: Vier Jahre können lang sein
Es gab schon Bundesregierungen, die vor einfacheren Aufgaben standen. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine, bröckelnde internationale Partnerschaften und der Aufstieg des Rechtspopulismus machen den demokratischen Parteien das Regieren schwer. Auch die jetzige Koalition aus CDU, CSU und SPD ist eher eine Vernunftehe, denn eine aus Liebe. Wie brüchig solche Gemeinschaften sind, zeigte jüngst die Ampelkoalition, die ihre Zusammenarbeit frühzeitig beendete und die Wahlen vorzog.
Vielleicht auch wegen dieser Vorgeschichte ist der Glauben an die jetzige Koalition unter den Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht besonders hoch. 55 Prozent der rund 1800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Umfrage gehen davon aus, dass die jetzige Regierung nicht bis zu den planmäßigen Neuwahlen (spätestens am 25. März 2029) durchhält. Kein Wunder. Die Leserschaft ist der neuen Koalition aus CDU, CSU und SPD gegenüber äußerst kritisch eingestellt. Nur knapp jeder Fünfte (21 Prozent) hält die neue Bundesregierung für gut. Zwar haben sich rund 24 Prozent noch keine Meinung gebildet, doch damit bleiben 55 Prozent, die das neue Kabinett für schlecht halten, noch bevor es erste Entscheidungen treffen konnte.
Bundesregierung hat Pläne für den öffentlichen Dienst
Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz will laut Koalitionsvertrag den Öffentlichen Dienst attraktiver, moderner, verständlicher und digitaler machen. Dafür müsse ein „neues Leitbild für Regierung und Verwaltung“ her. Mit dem Ministerium für Digitales & Verwaltung gibt es dafür sogar ein neues Ressort – das soll eine Modernisierungsagenda vorantreiben.
Ein wichtiges Fundament dafür ist das Sondervermögen Infrastruktur. Es wird für Bund, Länder und Kommunen geschaffen und umfasst 500 Milliarden Euro über zehn Jahre verteilt. Der öffentliche Dienst ist davon mehrfach betroffen. Zum einen, weil er von der Ausschüttung vor allem auf kommunaler Ebene profitieren kann. Das Geld ist für Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, die Energieinfrastruktur, Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur und Digitalisierung gedacht. Bereiche also, in denen auch der öffentliche Dienst tätig ist.
Exklusive Umfrage zum öffentlichen Dienst: 4 von 10 sind gegen das Sondervermögen
Das Stimmungsbild zum Investitionspaket unter den Beamten und Angestellten ist gespalten. Die Hälfte hält das Sondervermögen für sehr gut, da eine Investitionsoffensive für Staat und Wirtschaft wichtig sei. Weitere 7 Prozent freuen sich zwar über die Investitionen, halten aber ein größeres Sondervermögen für nötig. Ganz im Gegenteil glauben 4 von 10 Leserinnen und Leser, dass eine Modernisierung der Infrastruktur ohne neue Schulden hätte funktionieren müssen und sind gegen dieses Sondervermögen.
Der Bürokratieabbau spielt im neuen Koalitionsvertrag eine zentrale Rolle. Die kommende Regierung möchte unnötige oder doppelte Regeln streichen und Berichtspflichten einschränken. Das soll durch eine bessere Kommunikation zwischen den Verwaltungen erreicht werden. Die Digitalisierung soll dazu beitragen, dass auch die Bürgerinnen und Bürger das Verwaltungssystem leichter verstehen und Leistungen vereinfacht in Anspruch nehmen können.
Umfrage zum Koalitionsvertrag für den öffentlichen Dienst: Großteil sieht Regierungspläne skeptisch
Doch diese Versprechungen verfangen im öffentlichen Dienst nicht. Gerade einmal 39 Prozent stehen den Plänen positiv gegenüber. In einer früheren Umfrage aus dem vergangenen Jahr wurde deutlich, dass die Beschäftigten im öffentlichen Dienst selbst über den hohen Bürokratieaufwand klagen. Denn sie sind es, die die vielen Regeln gegenüber Bürgern und Unternehmen durchsetzen müssen.
Laut aktueller Umfrage halten 52 Prozent die geplanten Änderungen zwar für gut, erwarten aber keinen Befreiungsschlag. Weitere 9 Prozent stehen den Plänen skeptisch gegenüber, weil viele Regeln und Vorgaben – die fallen könnten – wichtig seien.
Befragte wollen laut Umfrage, dass Heizungsgesetz kassiert wird
Deswegen wollten wir per offener Frage wissen, welche Gesetze und Vorgaben wegmüssen. Am häufigsten genannt wurden dabei Regelungen aus dem Bereich der Bauvorschriften. Dahinter folgt das Heizungsgesetz. Auch der zu strenge Datenschutz und das Lieferkettengesetz werden häufig genannt.
Viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst kritisieren insbesondere die aus ihrer Sicht überbordende Bürokratie. Genannt werden unter anderem langwierige Genehmigungsverfahren, komplexe Dokumentationspflichten und hinderliche Datenschutzregelungen, die eine effizientere Zusammenarbeit zwischen Behörden erschweren. Gefordert wird eine tiefgreifende Vereinfachung und Digitalisierung von Verwaltungsabläufen.
Auch konkrete Gesetzgebungen stoßen auf Ablehnung. Besonders häufig werden das Gebäudeenergiegesetz, die CO₂-Bepreisung sowie das Lieferkettengesetz genannt. Diese Regelungen stünden exemplarisch für eine Politik, die in der Praxis schwer umsetzbar sei und die Arbeit vor Ort eher erschwere als erleichtere. Vielfach wird ein radikaler Schnitt verlangt: alte Regelungen abschaffen, bevor neue eingeführt werden. Gleichzeitig sehen viele in der derzeitigen Förderpolitik – etwa beim Bürgergeld – ein Gerechtigkeitsproblem. In den Kommentaren spiegelt sich das Bedürfnis nach klareren Zuständigkeiten, praktikableren Verfahren und politischer Verlässlichkeit.
Umfrage verrät: Woher der bürokratische Aufwand für den öffentlichen Dienst kommt
Wir haben die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gefragt, welche politische oder juristische Ebene für den größten Bürokratieaufwand in ihrem Arbeitsbereich sorgt. Die Antwort fällt hier sehr eindeutig aus. 46 Prozent geben an, dass europarechtliche Vorgaben den größten Posten ausmachen. Jede vierte Person gibt hier den Bund an, jede sechste die Länder und jede zehnte die Kommunen. Immerhin haben noch 5 Prozent durch Urteile von Gerichten den größten Aufwand.
Die neue Bundesregierung muss offensichtlich erstmal die rund fünf Millionen im öffentlichen Dienst – allen voran der Verwaltung – überzeugen, dass die geplanten Maßnahmen wirklich wahr werden.