Jahrelang ist die Pensionswelle im öffentlichen Dienst ignoriert worden. Nun fällt es vielen Behörden schwer, ausreichend neue Fachkräfte zu finden. Ein Teil der Beschäftigten denkt zudem darüber nach, den Job zu wechseln. Die Analyse einer Umfrage zeigt, wie hoch die Arbeitsbelastung im öffentlichen Dienst ist. Die Angestellten haben klare Forderungen für die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst im kommenden Jahr. Die Ergebnisse der großen Umfrage von Öffentlicher Dienst News.
Der öffentlichen Dienst steht enorm unter Druck. Eine aktuelle Umfrage von Öffentlicher Dienst News mehr als 7500 Beschäftigte aus der Verwaltung, dem Kita-Bereich, der Polizei, dem Bildungsbereich oder dem öffentlichen Gesundheitssektor zeigt, welcher Faktoren besonders belasten. Allem voran steht der massive Personalmangel. Fast drei Viertel (5481) stellen fest, dass in ihrer Behörde, ihrer Kita oder ihrem Krankenhaus – um nur einige zu nennen – ausgeschriebene Stellen nicht zeitnah oder gar nicht mehr besetzt werden können.
Öffentlicher Dienst: Personalnot ist groß
Das führt zu einer hohen Arbeitsbelastung, steigenden Ausfallzeiten durch Krankheit – was wiederum die Belastung für die anwesenden Angestellten und Beamten erhöht. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt exemplarisch für den Bereich der Kitas, wie der toxisch Kreislauf durch den Personalmangel in Kraft gesetzt wird. Eine zentrale Ursache ist der Personalmangel. Das Kitapersonal ist zunehmend ausgelaugt. Die Zahlen zeigen: Der Krankenstand unter Kitamitarbeitenden ist überdurchschnittlich hoch – und er ist zuletzt stark angestiegen. Häufigster Grund für eine Krankschreibung waren im Vorjahr Atemwegsinfekte, gefolgt von psychischen Erkrankungen. Diese nehmen allerdings deutlich zu im Kitabereich. Das Problem scheint weiterhin nicht in der Politik anzukommen.
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Ergebnisse der Umfrage: Hohe Arbeitsbelastung, Bürokratie, Überstunden belasten in der öffentlichen Verwaltung
Neben dem Personalmangel sehen die Beschäftigten die hohe Arbeitsbelastung und zu viele Bürokratie als belastende Faktoren in ihrem Arbeitsalltag an. Fast 40 Prozent der Befragten sehen auch die schleppende Digitalisierung und regelmäßige Überstunden als großes Problem. Zu denken gibt, dass 58 Prozent der Befragten über zu viel Bürokratie klagen. Auch bei der Befragung im letzten Jahr gab ein hoher Anteil an, dass die Regeln, die die Verwaltung durchsetzen muss, zu kompliziert und unübersichtlich sind. Diese Aussage ist eine klare Forderung an die Politik, weniger bzw bessere Vorschriften und Gesetze für die Verwaltung vorzulegen. Denn: Nicht der öffentlichen Dienst produziert Bürokratie, sondern die Politik. Mit dem Unterschied, dass die Angestellten und Beamten diese Regeln nicht selten zum Unmut der Bürger durchsetzen müssen.
Ein Viertel der Beschäftigten im öffentlichen Dienst hat innerlich gekündigt
Es wundert nicht, dass ein Viertel der Befragtem angibt, innerlich gekündigt zu haben und nur auf ein passendes Jobangebot wartet. Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehen anders aus. Ein weiteres Drittel der Beschäftigten gibt an, dass es keine große Bindung mehr zum Job im öffentlichen Dienst hat. Nur 42 Prozent geben an, den aktuellen Job gerne zu erledigen. Sie haben keine Pläne für einen Stellenwechsel.
Mäßige Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst
Rund die Hälfte der Beschäftigten findet die Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst gut oder befriedigend. Weitere 24 Prozent vergibt die Note ausreichend. Ein Fünftel vergibt die Noten mangelhaft (15,6 Prozent) oder ungenügend (5,5 Prozent).
Gesund in Rente? Nicht für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst
Ebenfalls alarmierend sind Ergebnisse zur Frage, ob die Angestellten und Beamten davon ausgehen, bis zur Rente oder Pension gesund durchzuhalten. Auch hier ist der Anteil von Menschen, der durch die Arbeitsbedingungen belastet ist, hoch. Ein Drittel sieht in der aktuellen beruflichen Situation keine Chance, gesund das vorgesehene Rentenalter zu erreichen. Nur ein Fünftel ist sich sicher, dass es bis zum Ruhestand durchhalten wird.
Erwartungen an die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst
Die überwiegende Mehrheit der Befragten fordert für die 2025 anstehenden TVöD-Tarifverhandlungen eine deutliche Gehalts- und Besoldungssteigerung. Zudem wünschen sich rund 63 Prozent, dass im Rahmen der Tarifrunde auch über eine Arbeitszeit-Reduzierung verhandelt wird. Auch Entlastungen etwa durch Wahlmodelle „Mehr Urlaub, statt Geld“ wie es in anderen Branchen vorgesehen ist, wünschen sich 42 Prozent. Eine Erhöhung der Zulagen sowie eine erneute Prämienzahlung wird von etwas mehr als einem Viertel als Thema in den Tarifverhandlungen gefordert.
Richtig zufrieden ist mit der aktuellen Gehalts- und Besoldungssituation nur ein kleiner Teil der Befragten. Gerade einmal 18 Prozent würden für ihr Einkommen im öffentlichen Dienst die Schulnoten eins oder zwei vergeben. Ein knappes Drittel empfindet den Verdienst als befriedigend. Ein Viertel vergibt die Schulnote ausreichend und noch ein weiteres Viertel vergibt die Schulnoten mangelhaft oder ungenügend. Das ist ein deutliches Signal für die Sozialpartner im öffentlichen Dienst, sich intensiv mit dem Thema Gehaltssteigerung zu beschäftigten.
Gewerkschaftliche Forderungen im öffentlichen Dienst im Oktober, Verhandlungen im Januar 2025
Die Vorbereitungen für die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst bei Bund und Kommunen laufen. Ver.di befragt aktuell die Beschäftigten zur Höhe und den Bestandteilen der Forderungen. Diese sollen Anfang Oktober bekanntgegeben werden. Der Auftakt der Verhandlungen ist dann im Januar 2025. Alle Fakten und News zur TVöD-Tarifverhandlungen gibt es hier oder im monatlichen Newsletter.
Weiterbildung: Großes Interesse an modernen Arbeitsmethoden
Die Umfrage liefert auch ein Bild über die Interessen der Beamten und Angestellten beim Thema Weiterbildung. Denn, wenn die digitale Transformation von Verwaltung, Gesundheitsbereich, Polizei und Justiz irgendwann mal funktionieren soll, ist Qualifizierung und Weiterbildung ein entscheidender Baustein. Die gute Nachricht: Viele Beschäftigte haben großes Interesse, sich neue Themen zu erschließen. Überraschend stehen moderne Arbeitsmethoden wie agiles Arbeiten an erster Stelle. Fast jede/r Zweite wünscht sich, an einem Workshop zum Thema teilzunehmen. Auf Platz zwei: Künstliche Intelligenz. Kein Wunder, das Thema ist omnipräsent. Zuletzt wurde verkündet, dass die KI-Software des Heidelberger Startups Aleph Alpha weiterhin in der Landesverwaltung Baden-Württembergs eingesetzt werden soll. Von systemischen Lösungen ist allerdings in der öffentlichen Verwaltung noch keine Spur zu sehen. Daher ist das Interesse an Workshops zum individuellen Einsatz von Tools wie ChatGPT, Claude oder dem Bildgenerator Midjourney groß.
Zu den Daten
Die Umfrage hat sich an die 128.000 Abonnenten des Newsletters von Öffentlicher Dienst News gerichtet. Insgesamt haben 7458 Personen teilgenommen. Rund 53 Prozent der Teilnehmer stehen im Dienst der Kommunen. 21,1 Prozent sind im Bundesdienst tätig, 26,1 Prozent im Landesdienst. 77,5 Prozent sind Angestellte, 22,5 sind Beamte. 42 Prozent arbeiten in der Verwaltung, 12 Prozent im Bereich Jugend und Erziehung, 10 Prozent Schule und Kultur, jeweils sechs Prozent bei Polizei/Justiz und an Krankenhäusern. 18 Prozent arbeiten in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes.