Digitalisierung Familie & Eltern Karriere New Work News Personal & HR

Resilienz: psychische Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten

Anzeige

Resilienz hilft dabei, schwierige Situationen ohne eine bleibende Beeinträchtigung der Psyche zu überstehen. Gerade im Berufsalltag kann dies hilfreich sein, um nach negativen Erlebnissen weiterzumachen. 

Krisenbewältigung wird unter Fachleuten „Resilienz“ genannt. Der Begriff kommt ursprünglich aus der Physik und bezeichnet die Eigenschaft eines Materials nach Belastung wieder in seine ursprüngliche Form zurückzuspringen. In der Psychologie meint man damit die Fähigkeit, die eigene psychische Gesundheit trotz widriger Umstände zu erhalten und wiederzuerlangen. Oder, um es mit den berühmten Worten von Friedrich Nietzsche zu sagen: „Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“.

Die sprichwörtlichen Stehaufmännchen- und weibchen haben es im Leben leichter. Sie gehen mit kleinen und großen Krisen angemessen um, bleiben psychisch stabil und kehren nach problematischen Situationen wieder schnell zu einem Normalzustand zurück.

Warum manche Menschen an Schicksalsschlägen und schwierigen Situationen zerbrechen, während andere daran wachsen, beschäftigt die Menschheit schon lange. Nicht zufällig werden wir heute noch auf viele Zitate und Sprichwörter von bedeutenden Persönlichkeiten rund um die Resilienz treffen. Die Wissenschaft befasst sich hingegen erst relativ kurz mit dem interessanten Thema.

Resilienz wissenschaftlich betrachtet

Pionierarbeit leisteten die amerikanischen Forscherinnen Emmy Werner und Ruth Smith mit ihrer „Kauai-Studie“. Sie begleiteten 40 Jahre lang 686 Kinder, die 1955 in Hawaii geboren wurden. Auf die Erkenntnisse aus dieser Langzeitstudie greifen wir noch heute zurück. Die Wissenschaftlerinnen fanden nämlich heraus, dass obwohl ein Drittel der Kinder unter sehr schwierigen Bedingungen aufwuchs, nicht alle von diesen später im Leben Probleme hatten. Viele von ihnen brachen die Schule ab oder wurden alkoholabhängig. Aber nicht alle. Ein Drittel der Vernachlässigten, Armen und Missbrauchten hatte trotz aller Widrigkeiten ein erfülltes, glückliches und erfolgreiches Erwachsenenleben. Es musste also etwas geben, was diese Menschen gemeinsam hatten: Resilienz.

Karriere: New Work & Digitalisierung im öffentlichen Dienst

Ratgeber und Nachrichten

Die Frage ist, warum manche der Menschen aus der Studie anders auf dieselben Voraussetzungen reagieren konnten. Die Antwort liegt zumindest teilweise darin, dass trotz aller Schwierigkeiten die resilienten Kinder immer zumindest eine Person in ihrem Leben hatten, die an sie glaubte. Das konnte ein Familienmitglied oder eine Lehrperson sein.

Man geht generell davon aus, dass Kinder, die in einem behüteten Umfeld aufwachsen, später insgesamt resilientere Erwachsene werden. Die Basis für eine gute Resilienz wird also im Kindesalter gelegt. Lange Zeit glaubte man, dass Resilienz angeboren sei, also genetisch bedingt. Aber das stimmt nur teilweise. Je sicherer man aufwächst, umso besser die Basis für Resilienz. Resilienz ist eine Mischung aus robustem Gemüt (die Dickfelligen werden auch „low reactives“ genannt), Umfeld und Erziehung. Nature and Nurture.

Neurobiologische Mechanismen der Resilienz werden gerade untersucht und sind noch nicht bekannt. Mentale, emotionale und biologische Faktoren wurden aber heute schon genauer erforscht.

Resilienz kann man lernen

Unsere Persönlichkeit ist viel wandelbarer als in früheren Forschungen angenommen wurde. Jeder von uns kommt mit gewissen Eigenschaften auf die Welt. Extraversion, Optimismus und Intelligenz gehören zu den Anlagen, die für die Resilienz förderlich sind. Die Resilienz ist aber dynamisch und lässt sich auch im Erwachsenenalter trainieren. Eigeninitiative kann die psychische Belastung bewusst herabsetzen. Dabei ist das Erkennen von seelischer Not der erste Schritt. Sich dann Hilfe zu suchen ist eine weitere Strategie der Resilienten. Das bedeutet, Unterstützung von außen anzunehmen und gegebenenfalls auch einen Psychotherapeuten oder eine Psychotherapeutin zu Rate zu ziehen.

Die eigenen Stärken und Schwächen zu kennen, schenkt eine angemessene Handlungsfähigkeit und hilft, das Immunsystem der Seele zu kräftigen. Dabei bleiben Körper und Geist immer verbunden. Gesund essen, genug Bewegung, wenig Alkohol und guter Schlaf stärken den Körper und unterstützen die Resilienz. Nicht zuletzt wächst Resilienz an Resilienz. Wer schon viele schwierige Situationen erfolgreich überstanden hat, blickt darauf zurück und schaut weiteren Schicksalsschlägen gelassen ins Auge.

Sieben Säulen der Resilienz

Generell spricht man von sieben Säulen der Resilienz. Auf ihnen steht die psychische Widerstandskraft einer Person. Wobei unterschiedliche Studien, Institute und Veröffentlichungen gerne ihre eigene Interpretation geben und diese auch vom Kontext abhängig machen. So hat das Mainzer Leibniz-Institut für Resilienzforschung beispielsweise zur Zeit der Corona-Lockdowns den achtsamen Medienkonsum in die Liste aufgenommen.

1.      Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit und Lösungsorientierung

Das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben zu haben und selbstbestimmt zu agieren schafft Handlungsspielraum. Wer sein eigenes Programm durchzieht und individuelle Ziele verfolgt, sorgt dafür, dass das Glück auch wieder in den eigenen Händen liegt.

Dazu gehören Selbstvertrauen und der Glauben daran, Handlungskontrolle zu besitzen. Damit bricht man aus der Opferrolle aus und gewinnt Bestätigung durch erreichte Ziele. Diese Erfolgserlebnisse werden dann auch von anderen erkannt, bewundert und stärken wiederum das Selbstbewusstsein.

Mit einer Liste von Dingen, die in der Vergangenheit schon bewältigt wurden, lässt sich gezielt das Selbstbewusstsein stärken und Vertrauen in sich gewinnen, was wiederum Mut zum Handeln gibt.

2.      Kontaktfreude und soziales Netzwerk

Familie, Partner, Freunde, Nachbarn oder Sportverein geben Halt. Zu wissen, dass jemand für einen da ist, schenkt psychische Stabilität. Kontaktfreudige und Extrovertierte haben es deshalb leichter, denn sie suchen aktiv die Beziehungen.

Dabei ist es nicht nur wichtig, Unterstützung zu bekommen, sondern auch selbst für die Mitmenschen da zu sein. Zusammenhalt hilft demjenigen, der Hilfe braucht und auch dem, der hilft. Sinnvoll handeln und eigene Werte einbringen ist ein wichtiger Pfeiler der Resilienz und emotional intelligente Menschen haben hier einen Vorteil.

Am besten sind immer persönliche Kontakte, doch auch Gruppen im Internet können ein Gefühl von Gemeinsamkeit geben. Nicht zuletzt ist es sinnvoll, sich den Kummer von der Seele zu schreiben. Das ist nützlich, um die Gedanken zu ordnen, Klarheit zu schaffen sich zu erleichtern. Selbstisolation sollte man aber vermeiden und wenn nötig auch über den eigenen Schatten springen, um soziale Kontakte zu knüpfen.

3.      Realistische Wahrnehmung

Ein konstruktiver, objektiver Umgang mit Schmerz und Tragödie hilft dabei, diese Herausforderungen zu meistern. Sich beispielsweise im Vorhinein gedanklich mit dem Tod der Eltern auseinanderzusetzen und sich das „Nachher“ vorzustellen, bereitet auf den Schicksalsschlag vor und ermöglicht es, ihm gefasst entgegenzutreten. Krisen gehören zum Leben, auch wenn uns Social Media gerne das Gegenteil glauben lassen.

Dabei sollte man aber auf keinen Fall schwarzmalen. Wer katastrofisiert, steht sich selbst im Weg. Der tendenzielle Pessimismus ist evolutionär so bedingt, denn der Steinzeitmensch, der die Situation im Zweifel als schlimmer einschätzte, hatte die besseren Überlebenschancen. Heute hat die übertriebene Negativität den gegenteiligen Effekt. Oft sind Situationen weniger schlimm als gedacht. Dabei geht es nicht darum, sich selbst anzulügen und nur noch durch die rosarote Brille zu schauen. Vielmehr ist die objektive Beurteilung von Situationen gefragt. Diese Resilienz-Strategie wird auch „Aktive Coping“ genannt. Dazu gehört, das Glas halbvoll zu sehen, die Chancen zu erkennen und in sich selbst zu vertrauen. Auch zu wissen, dass jede Situation – so schlecht sie auch ist – irgendwann zu Ende geht, hilft dabei sie zu überwinden.

4.      Optimismus

Zuversicht und Vertrauen in die Zukunft sind eine wichtige Säule der Resilienz, wie auch die Psychologin und Bestsellerautorin Stefanie Stahl unterstreicht. Ein Grundvertrauen darin, dass sich alles zum Besseren wenden wird, ist fundamental für eine gesunde Psyche. Nicht jeder hat diese Einstellung schon aus der Familie mitgebracht und manche haben einen angeborenen Charakter, der eher zum Pessimismus neigt. Doch Optimismus lässt sich auch üben. Zum Beispiel mit einem Dankbarkeitstagebuch. Dabei müssen es nicht nur die großen Leistungen sein, die hier aufgeführt werden. Es sind die kleinen Dinge im Leben, die uns optimistisch machen können. Dank der Zuversicht bekommen Krisen eine weniger schwere Gewichtung und das Wissen, dass sie vorbeigehen werden, wird gestärkt.

5.      Krisen als Trainingslager

Negative Ereignisse nicht vermeiden, sondern hinnehmen und sogar als Chance erkennen, das rät auch Oprah Winfrey: „Verwandle deine Wunden in Weisheit.“

Studien belegen, dass Menschen, die in Ihrem Leben mehrere Schicksalsschläge erleiden, psychisch weniger oft erkranken als diejenigen, die von diesen vollkommen verschont bleiben. Das nennt die Wissenschaft „posttraumatische Reifung“. Krankheit, Verlust oder Trennung setzen wieder neue Maßstäbe und zeigen auf, was wichtig ist und was nicht. Sie sorgen dafür, dass das Leben mehr wertgeschätzt wird. Wobei negative Erlebnisse, Leid und Verlust zum Leben dazugehören. Alle machen – früher oder später – irgendwann diese Erfahrungen. „Unter jedem Dach ein Ach“ ist ein Sprichwort, das leider immer zutrifft. Umso wichtiger ist es, die Resilienz zu trainieren und sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Der dänische Theologe und Philosoph Søren Kierkegaard sagte dazu schon Anfang des 19. Jahrhunderts:

„Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“

6.      Akzeptanz

Veränderungen akzeptieren und loslassen können, wenn nichts zu ändern ist. Das ist oftmals schwer, besonders für die optimistischen Kämpfernaturen. Doch Widerstand kostet enorm viel Lebensenergie und ist manchmal einfach nur kraftraubend.

Hier kann auch den Atheisten das Gelassenheitsgebet helfen, das Reinhold Niebuhr zugeschrieben wird: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

7.      Analyse und Gefühlsstärke

Resiliente Menschen sind oft besonders gut darin, von außen auf sich und auf die Situation zu schauen. Das gilt nicht nur für die praktische Situation, sondern auch für die eigene Gefühlswelt. Daraus entsteht eine emotionale Reife, die dabei hilft, eingefahrene Denkpfade zu verlassen. Die genaue Analyse der negativen Erlebnisse stützt den Perspektivenwechsel und regt dazu an, zukunftsorientiert zu handeln und die besten Lösungen zu erkennen.

Resilienz ist nicht Stoizismus

Resiliente Menschen sind keineswegs taub oder gefühllos. Sie sind nicht besonders gut gegen negative Emotionen abgehärtet, sondern glänzen darin, sich nach schweren Schlägen den Staub abzuklopfen und wieder aufzustehen. Darüber waren sich Konfuzius, Nelson Mandela, Winston Churchill und viele andere große Persönlichkeiten der Geschichte schon einig:

„Beurteilt mich nicht nach meinem Erfolg, sondern danach, wie oft ich hingefallen und wieder aufgestanden bin.“ Nelson Mandela

„Unser größter Ruhm besteht nicht darin, dass wir niemals fallen, sondern dass wir jedes Mal aufstehen, wenn wir fallen.“ – Konfuzius

„Wenn du durch die Hölle gehst, geh weiter.“ – Winston Churchill

„Resilienz ist etwas ganz anderes als gefühllos zu sein. Resilienz bedeutet, dass man Erfahrungen macht, dass man fühlt, dass man versagt, dass man sich verletzt. Du fällst. Aber man macht weiter.“ – Yasmin Mogahed

Resilienz im Beruf

Auf dem heutigen Arbeitsmarkt ist Resilienz eine Eigenschaft, die hoch im Kurs steht. Wie gut jemand mit schwierigen Situationen fertig wird, hat einen großen Einfluss sowohl auf die individuelle Leistung als auch auf die allgemeine Atmosphäre am Arbeitsplatz.

Dabei liegt es nicht nur am Arbeitnehmer, sondern auch am Unternehmen, wie resilient die Belegschaft ist. Maßnahmen zur Resilienzförderung fördern die Stressresistenz, die Zufriedenheit der Mitarbeiterschaft und steigern das Engagement für das Unternehmen. Besseres Selbstwertgefühl, erfüllende zwischenmenschlichen Beziehungen und das Bewusstsein von Handlungskontrolle bringen gesteigerte Produktivität und gutes Arbeitsklima.

Resilienz bei der Arbeit im öffentlichen Dienst

Bei einigen Berufsgruppen im öffentlichen Dienst gehört Resilienz zu den Grundeigenschaften, um die Arbeit überhaupt machen zu können. Wer jeden Tag mit Ausnahmesituationen konfrontiert ist, muss Meister darin werden, diese zu bewältigen. So haben Polizeibeamte, Pflegepersonal und viele Beschäftigte in der Verwaltung eine seelische Hornhaut. Stressresistenz und psychische Widerstandsfähigkeit gehören für sie zum Alltag.

Besonders hart wird die Resilienz durch den immer größeren Personalmangel auf die Probe gestellt. Dabei erkennen die Entscheidungsträger durchaus die Problematiken und wissen um die Wichtigkeit der Resilienz. Die Studie „Potenzialanalyse Resilienz” von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut von April 2021 befragte 294 Führungskräfte aus Finanz, verarbeitendem Gewerbe, Verwaltung und Versorgung, aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Dienst.

49 Prozent der Teilnehmenden an der Umfrage wollen Resilienz als strategisches Thema künftig verstärkt angehen. Für die Mehrzahl der Befragten sind die Erfolgsfaktoren für bessere Resilienz:

  • Schnell auf Veränderungen reagieren können
  • Bedrohungen vorhersehen können
  • Chancen antizipieren können
  • Schwachstellen erkennen können

76 Prozent wollen eine vertrauensvollere Atmosphäre schaffen, 72 Prozent konstruktiver mit Fehlern umgehen und 70 Prozent setzen auf Weiterbildung zur Förderung der Resilienz. Gerade Schulungen und Weiterbildungen können sich tatsächlich als besonders wichtig erweisen. Denn, wir wissen es: Resilienz ist lernbar.

Nicht zuletzt setzen 70 Prozent der Befragten zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit auf den Einsatz transparenter, klar definierter digitalisierter Prozesse. Ob diese Strategien auch erfolgsgekrönt sein werden, ist abzuwarten.

Wichtig ist vor allem eine gesundheitsbewusste Kultur am Arbeitsplatz, denn psychische Erkrankungen liegen mit 37 Prozent noch vor den Erkrankungen des Bewegungsapparats und haben seit 2009 um 40 Prozent zugenommen (Quelle: Statista). Bindungen, Beziehungen und soziale Unterstützung sind deshalb für die Widerstandsfähigkeit am Arbeitsplatz unter Umständen wichtiger als Digitalisierung und Automation von Prozessen.

„Es ist wirklich wunderbar, wie viel Widerstandskraft in der menschlichen Natur steckt. Wenn ein Hindernis, egal welches, auf irgendeine Weise beseitigt wird, sogar durch den Tod, kehren wir zu den ersten Prinzipien der Hoffnung und Freude zurück.“ – Bram Stoker, Autor von Dracula

Anzeige